historische Belege …

Die Geschichte der Fantasia ist die Geschichte der Begegnung zwischen dem Menschen und dem Pferd in Nordafrika. Die Knochenreste sogenannter Equus Caballus algericus aus der prähistorischen Zeit vor 40.000 Jahren oder, in jüngerer Zeit, die Felszeichnungen des Sahara-Atlas aus dem Jahr 9000 v. Chr., belegen die Anwesenheit von Pferden im Maghreb – möglicherweise (aber umsttritten) einem Vorfahren der heutigen einheimischen Pferderasse, dem Berber.

Dieses fügsame, robuste, ausdauernde, aber vor allem schnelle Pferd machte den Ruhm der Reiter der Numider aus, die zur Zeit der Punischen Kriege als die besten Reiter der Welt galten, insbesondere dank der von ihnen entwickelten Kampftechnik, die auf schnellen Angriffen und Rückzügen basierte. Später findet man dieselbe Taktik des Angriffs und der Flucht (genannt el-kerr ul-ferr) bei den Arabern wieder, deren „Reiter sich mit lautem Geschrei auf die Schlachtfelder stürzen, ihre Waffen abfeuern, sofort kehrtmachen, im Galopp davonreiten, ihre Gewehre nachladen und erneut auf dien Truppen zustürmen ”.

Daraus entstand die Fantasia. Mal als Bild des Krieges, mal als rituelle Demonstration von Kraft und Mut oder sogar als Metapher für die erotische Konfrontation skizziert, stellt sie vor allem die Spuren, die abgeschwächte neuzeitliche Version der arabisch-türkisch-berberischen Reitkunst Nordafrikas da.
Die allererste Darstellung einer Fantasia ist die Zeichnung aus dem 16. Jahrhundert, die dem flämischen Maler Jan Cornelisz Vermeyen (1500-1559) zugeschrieben wird und nachträglich mit „Eine Fantasia in Tunis“ betitelt wurde, sowie möglicherweise seine beiden anderen Zeichnungen mit dem Titel Militärisches Turnier in Tunis, die alle drei während der Eroberung Tunis im Jahr 1535 durch Kaiser Karl V. entstanden sind.
Es dauerte jedoch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, bis die ersten Beschreibungen dessen veröffentlicht wurden, was später als Fantasia bezeichnet werden sollte: von Louis de Chénier im Jahr 1787, von Abbé Poiret im Jahr 1789 oder in der Encyclopædia Britannica im Jahr 1797.

Am 6. März 1832 begleitet Eugène Delacroix den Grafen Charles-Édgar de Mornay auf seiner Botschaftsreise zum marokkanischen Sultan und wohnt in Garbia, auf dem Weg nach Meknès, seinen ersten „Feuerwerksspielen” bei. Er sah weitere in Alcassar-El-Kebir (dem heutigen Ksar El Kébir) und dann in Méquinez (dem heutigen Meknès); er hielt ihre Pracht in seinem Tagebuch fest:
„Unser Einzug hier in Méquinez war von außerordentlicher Schönheit, und es ist ein Vergnügen, das man sich nur einmal im Leben wünschen kann. Alles, was an diesem Tag geschah, war nur die Ergänzung zu dem, worauf uns die Reise vorbereitet hatte. In jedem Augenblick trafen wir auf neue bewaffnete Stämme, die einen erschreckenden Pulververbrauch hatten, um unsere Ankunft zu feiern.“
Zurück in Frankreich schuf Delacroix ein Aquarell (heute im Musée du Louvre), das die Szenen wiedergibt, die er miterlebt hatte, und das den Titel Fantasia ou Jeu de la poudre, devant la porte d’entrée de la ville de Méquinez (Fantasia oder Pulverspiel vor dem Stadttor von Méquinez) trägt. Anschließend schuf er drei weitere „Fantasias“: ebenfalls 1832 „Exercices militaires des Marocains ou Fantasia marocaine“ (Militärübungen der Marokkaner oder Marokkanische Fantasia), derzeit im Musée Fabre in Montpellier; 1833 „Fantasia arabe”, heute im Städel Kunstmuseum in Frankfurt am Main; und schließlich 1847 „Fantasia marocaine”, heute im Museum Oskar Reinhart „Am Römerholz” in Winterthur. So wurde das Wort „fantasia” zum Synonym für „dieses Feuerwerk”.
Zu dieser Zeit war der Orientalismus in Mode; wie Victor Hugo zusammenfasst: „Im Zeitalter Ludwigs XIV. war man Hellenist, heute ist man Orientalist”. Zahlreiche Künstler schufen bewundernswerte Gemälde von Fantasias: Eugène Fromentin, Aimé Morot, Théo Van Rysselberghe und viele andere.
Die Praxis der Fantasia war keineswegs auf die Länder des Maghreb beschränkt, sondern im 19. Jahrhundert in ganz Nordafrika verbreitet, von Ägypten im Osten im Osten bis nach Marokko im Westen und von Tunesien im Norden bis nach Senegal oder Tschad im Süden. Am überraschendsten ist jedoch die Praxis der Fantasia in Neukaledonien, wo sie mit den deportierten Algeriern Einzug hielt und seit dem Ende des 19.Jahrhunderts fortbesteht.
Eine bemerkenswerte Fantasia wurde am 18. September 1860 zu Ehren von Napoleon III. in Maison-Carrée in der Nähe von Algier organisiert, an der zwischen sechs- und zehntausend Reiter teilnahmen.